Eigentlich verrückt. Wenn ich in den vergangenen Jahren bei meiner Arbeit mit Microsoft mit Menschen jenseits von 55 Jahren zusammen gekommen bin, dann habe ich es oft erlebt, dass diese schon mit Ihrem Arbeitsleben abgeschlossen haben. Bloß nichts mehr dazulernen, es sind doch nur noch ein paar Jahre bis zum Rente… um dann im Supermarkt die Kassen blockieren, ups, Rentner haben ja keine Zeit mehr. Und ich, bin ja schon über 60 Lenze, aber ich habe das Gefühl, dass ich immer noch Informationen aufsaugen kann. Unternehmen aber kein Interesse an meiner Erfahrung haben wollen. Dieses Gefühl kennen wohl die älteren Herrschaften, die sich im Status „arbeitssuchend“ befinden. Den letzten Job verloren haben, aus welchen Grund auch immer. Und die eine Bewerbung nach der anderen schreiben, aber der Erfolg, seine Erfahrung an Jüngere weiter zu geben, ausbleibt. Kann das alles sein?
In diesem Fruststatus befand ich mich Mitte Februar, und habe diesen auch auf Facebook kundgetan. Nein, ich war nicht arbeitssuchend, aber genau in dieser Stimmung. Dazu kam dann auch noch ein Männerschnupfen, der neun Tage angehalten hat. Drei Tage kam er, drei Tage blieb er, und nach drei weiteren Tagen war alles vorbei. Und während diesen nun Tage, die ich zum großen Teil auf der Couch vor dem großen TV Bildschirm verbracht habe, Mann, das Nachmittags-Programm in der deutschen TV-Landschaft ist unterstes Niveau, sah ich in Facebook eine geteilte Nachricht: Gebietsleiter gesucht. Auf der Website des amerikanischen Cloud-Unternehmens gab es noch weitere interessante Jobs. So auch der Job des Technical Solution Professional, Europe. Die Job-Beschreibung hat mir zugesagt, bei den Voraussetzungen für diesen Job habe ich jedoch gestützt. MVP Required. MVP steht für Most Valuable Professional, eine Auszeichnung von Microsoft. Man kann durch keine Prüfung den Award bekommen. Die Auszeichnung wird jährlich von Microsoft verliehen, ein Anrecht darauf hat man nicht. Es gibt ca. 4200 MVPs weltweit, eingeteilt in unterschiedliche technologische Schwerpunkte. Von OneNote MVP bis hin zum MVP für Office365. Und bei der Job-Voraussetzung waren genau drei Expertisen angegeben: SharePoint Server, Exchange Server oder die Kompetenz aus der Cloud, nämlich Office 365. Damit reduzierte sich die Anzahl der für den Job geeigneten weltweit auf ca. 600 MVPs, und wenn man die nur aus der Region Europa sieht, dann sind es gar nur mehr ca. 70. MVPs haben meistens einen Job, das könnte also für das Unternehmen, das eine solche Forderung an einen Arbeitnehmer stellt, eine Herausforderung sein. Nun, davon kann das Unternehmen aber immer noch abweichen.
Im vergangenen Jahr habe ich auch auf einigen Veranstaltungen gesprochen, bei der sich der Veranstaltungsort im europäischen Umland befand. Mein Thema war zumeist OneDrive for Business und OneDrive. Und der Vortrag dann in englische Sprache. Leute, ich habe ein paar Abschnitte meiner Jugend verflucht, an denen ich versäumt habe, Vokabeln zu lernen. Gerade auf großen internationalen Konferenzen gab es eine Erhöhung des Adrenalin -Spiegels, den ich bei einem Vortrag in deutscher Sprache vermisst habe. Aber Brüssel, Barcelona, und Birmingham hatten schon ihren Reiz, dieses Jahr werde ich die Konferenz-Städte mit dem Buchstaben „B“ fortsetzen. SharePoint Saturday in Paris hat gerufen, aber ich schweife ab. Soll ich mich in meinem Alter bei einer Cloud-Company an der Westküste der Vereinigten Staaten bewerben? Bei den Produkten dieser Firma handelt es sich um Migrations-Produkte, die optimal zu den Cloud-Produkten von Microsoft passen. Auf der Webseite wird in einem Video klar, dass die Firma kräftig wächst und vor kurzem neue Firmenräume bezogen hat. Ein Klick und dann sollte die Bewerbung losgehen. Ok, ein paar Daten habe ich eingetragen, dann aber abgebrochen, weil mir etwas Wesentliches gefehlt hat. Ein Lebenslauf. In Englischer Sprache. Ja, ich habe ein Bild mit eingefügt. Ja, ich habe mein Geburtstag angegeben, beides hätte ich nicht müssen. Nicht in USA. Bei meinem, doch schon fortgeschrittenen Alter habe ich auf meine, doch schon länger zurückliegende schulischen Zeugnisse verzichtet, dafür die letzten 15 Jahre meines Berufslebens beschrieben. Die letzten Fragen nach Vorstrafen, etc. beantwortet und abgesendet.
Und am späten Abend war schon eine Antwort im Postfach. Klar, Zeitverschiebung, USA, Westküste. Und der Zeitunterschied sollte mich die nächsten 14 Tage begleiten.
Und dann ging eigentlich alles ganz schnell. Frage und Antwort per E-Mail, Lync-Request, Lync-Call, der nächste Schritt. NDA, Vertrag, alles elektronisch. Wenn die Zeitverschiebung nicht gewesen wäre, dann wäre der ganze Prozess noch schneller über die Bühne gegangen. Dazwischen lagen aber auch ein paar Stunden Recherche im Internet, zu den Themen Visum, Dollar-Euro Entwicklung, Vertragsrecht sowie Gespräche mit meinem Banker und Steuerberater. Und natürlich will das Ganze auch mit der Familie abgesprochen werden. Dass ich vor der letztendlichen Unterschrift, was ja nur ein Maus-Klick ist, mir diese Herausforderungen mehrmals überlegt habe, bestreitet ich nicht. Wie schon am Anfang geschrieben, sehe ich die größte Hürde den täglichen Umgang mit der englischen Sprache. Nicht bei der Technik, sondern im täglichen Umgang am Telefon. Aber irgendeine Herausforderung muss der Mensch ja haben, auch der Mensch im Alter > 60.
Und jetzt sitze ich im Flieger. Direkt-Flug nach Seattle. Und morgen geht die Ausbildung bzw. das Training los.
geschrieben im Flieger von Frankfurt nach Seattle am 9.3.2015
Teil 2: Meine erste Arbeitswoche
Teil 3: nach drei Wochen
Teil 4: Nach neun Monaten
Teil 5: Ich bin zurück
Sehr schöner Bericht!! Viel Spaß in den USA!
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Was für eine tolle Geschichte! Ich werde den einen oder anderen frustrierten Mitfünfziger auf diesen Artikel aufmerksam machen.
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Hallo Hans,
das hört sich ja wirklich toll und sehr spannend an. Es wird mit Sicherheit eine große Herausforderung für dich und deine Familie.
Ich wünsche euch viel Glück und Erfolg in den Staaten.
Gruß
ServerJunge
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Meine Gratulation und maximale Erfolge
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wow. Großen Respekt vor dieser Entscheidung. Und alles alles Gute – und hoffentlich noch viele Beiträge auf diesem Blog, ist nämlich richtig klasse!
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Well deserved, congrats Hans!!! All the best!!
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Spannende Zukunft mit neuen Herausforderungen: Ich wünsche ganz viel Erfolg und Spaß an der neuen Arbeit! Hoffentlich bleibt da noch genügend Zeit für Blog und Twitter …
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